Zusammen getragen von Walter Baumann
Historiker, Verfasser mehrerer Bücher über Zürich
und seine Vergangenheit
Leider ist das Buch der Handkultur noch nicht geschrieben worden.
Was den Menschen aus einem affenartigen Wesen zum Menschen
machte, ist noch immer umstritten. War es die Vergrösserung der
Hirnsubstanz oder das Aufrichten des Körpers? Damit wurden die
Vorderfüsse zu Händen. Diese Hände konnten erstmals einfache
Werkzeuge zur Verbesserung des Lebens herstellen.
Die Hand begann aber auch die seelischen Regungen
auszudrücken. Sie ist auch heute noch der einzige Körperteil, der
gänzlich ungeschützt körperlichen Kontakt vermittelt. Man gibt sich
die Hand – nicht jedem - aber Leuten die wir kennen oder die uns
vorgestellt wurden. Und zwar die Rechte, die unser Denken und
Können am meisten ausdrückt. Das ist ein Zeichen des Vertrauens
und der Friedfertigkeit. Mit der rechten Hand führte man einst das
Messer und den Degen. Wenn man einem Gegenüber die rechte
Hand hinstreckte, hiess das: „Sieh, ich bin gegen Dich
unbewaffnet. Zeige auch Du, dass Du das Schwert nicht ziehen
willst!“
Mit der Entwicklung der Gesellschaft zur Hierarchie begann auch
der Handschuh eine kulturelle Rolle zu spielen. Er markiert
Distanziertheit. Die nackte Hand war das Zeichen der Bauern und
Handwerker. Der Papst, der Kaiser, Fürsten und Adelige trugen
immer Handschuhe, wenn sie öffentlich auftragen. Nur bei Kontakt
mit ihresgleichen zogen sie den rechten Handschuh aus und
reichten sie so ungeschützt zum Gruss.
Der Handschuh bekam symbolische Bedeutung. Er wurde zum
Repräsentanten der Macht und des Rechts. So verlieh der Kaiser
durch Ueberreichung eines Handschuhs das Recht, eine Stadt zu
errichten oder er erlaubte damit das Markt- oder Münzrecht.
Der Dank dafür war ein Handkuss, der gleichzeitig eine devote
Verbeugung beinhaltete. Auch zum Ritterschlag gehörte die
Ueberreichung eines Handschuhs. Bei den Rittern galt das
Hinwerfen eines Handschuhs - des Fehdehandschuhs – vor die
Füsse des Gegenübers als Herausforderung zum Kampf. Wollte der
Gegner diesen Kampf nicht annehmen, musste er sich bücken um
den Handschuh aufzuheben und zurückzugeben. Dieses Bücken
war zugleich das Zeichen der Unterwerfung.
Aus Zürich gibt es über die Fabrikation von Handschuhen kaum
Ueberlieferungen. Und doch kommen wir ihr mit einigem Spürsinn
auf eine frühe Spur.
Von 1338 bis 1390 sassen insgesamt 5 Inhaber des Namens
Hentscher im Zürcher Rat; ein Berchtold, ein Jakob und drei
Johans. Offenbar Vater, Sohn und Enkel. Sie waren wie der Name
sagt, Handschuhmacher und sicherlich Getreue des Bürgermeisters
Rudolf Brun. Das beweist auch ihre Zunftzugehörigkeit. Alle 5
sassen in der adeligen Gesellschaft zur Constaffel. Einer von ihnen
– der erste Johans – fiel auf der Seite Bruns 1350 in der Zürcher
Mordnacht.
Warum sassen diese Handschuhmacher in der Constaffel? Dafür
gibt es verschiedene Gründe:
In Zürich gab es zu wenig Handschuhmacher, um eine eigene Zunft
zu gründen. So wurden sie den vornehmen Gewandschneidern
zugewiesen, die in der Constaffel sassen, denn Handschuhe durften
nur die Vornehmen tragen.
Wenn es sich um Winterhandschuhe, also gefütterte, handelte,
wurde die Herstellung der Schneider- und Kürschnerzunft
zugewiesen. Wie sahen solche Handschuhe aus? Sie waren aus
feinem Rinds- oder Ziegenleder. Der grosse Unterschied lag an der
Gerbung: Das Schuhleder stammte von den Rot- oder Lohgerbern,
die mit den Schuhmachern eine eigene Zunft gründeten. Diese
besteht noch heute : Die Zunft der Gerber- und Schuhmacher.
Anders die Weiss- oder Sämischgerber, die vor allem Ziegen- und
Lammfelle verarbeiteten und neben Handschuhleder auch solches
für Lederhosen, Wämse für die Kavallerie und Peitschenschnüre
herstellten. Die Kavallerie bildeten die Constaffler. Zum Gerben
brauchten die Sämischgerber vor allem Alaun und Fischtran. Da es
hier weder Alaun noch Fischtran gab, blieb die
Handschuhherstellung in Zürich immer bescheiden. Importiert
wurden Handschuhe fast ausschliesslich aus Frankreich. Eine
Produktion von Glacé-Handschuhen in feinstem Ziegenleder in
grösserem Stil nahmen erst die Ende des 17. Jahrhunderts aus
Frankreich geflüchteten Hugenotten auf. Emil Böhnys Bruder
gründete in Lugano um 1910 eine erste Weissgerberei in der
Schweiz, die indessen keinen langen Bestand hatte.
Natürlich gab es auch berufsbedingte Handschuhe für Wald-, Feld
und Gartenarbeiten. Es waren vor allem Fausthandschuhe. Eine
Ausnahme bildeten die Silberschmiede. Sie trugen feine
Fingerhandschuhe, damit das Silber beim Berühren nicht anlief. Bis
die Franzosen 1798 das Verbot des Handschuhtragens aufhoben,
durften nur Ratsherren und hohe Geistliche öffentlich Handschuhe
tragen. Ein Ziel der Französischen Revolution war es ja, alle
Standesprivilegien abzuschaffen. Noch 1718 wurde ein Junker Wirz
vor die Reformationskammer zitiert, weil er auf der Münsterbrücke
mit weissen Handschuhen entdeckt wurde. Er musste persönlich
vor der Kammer erscheinen, die Handschuhe abgeben und eine
Busse entgegennehmen!
Wie stand es mit den Frauen ?
Auch sie durften keine Handschuhe
tragen.
Erst im 18. Jahrhundert war im Winter ein innen gefütterter
Muff erlaubt.
Bis 1750 herrschte in Zürich Kirchenzwang.
Einfachheitshalber schloss man die Stadttore und jedermann hatte
zur Predigt zu gehen – die Frauen immer schwarz.
Als der
Kirchenzwang aufgehoben wurde, so schrieb ein ausländischer
Besucher, gingen viele Frauen kaum mehr zum Gottesdienst –
wegen der sturen Kleidervorschriften einiger alter
Kirchenvorsteher.
Eine eigentliche Handschuhmode gibt es bei uns
also erst seit dem
19. Jahrhundert.
Nun gab es auch Stoffhandschuhe, die vor allem
von Strumpfwirkereien hergestellt wurden. Unerlässlich wurden
bald einmal die Abend- und Theaterhandschuhe aus Spitzen,
später feinstem Wildleder. Sie bedeckten den ganzen Unterarm,
später kamen Stulpenhandschuhe auf.
Die höfische Etikette – sie wird zum Teil noch heute berücksichtigt
– besagt, dass sich eine Frau niemals unbehandschuht auf der
Strasse zeigen dürfe, auch nicht zum Autofahren, wenn man schon
keinen Chauffeur hat.
Zur Begrüssung sei aber der rechte
Handschuh abzustreifen.
Hier
hat sich also erhalten, was zur Zeit der Fürsten und Könige bis zur
französischen Revolution galt.
Aus allem Bisherigen entnehmen wir, das Zürich aus
verschiedenen Gründen nie eine Handschuhstadt war.
Bis zur
Franzosenzeit war das Weissgerben Monopol der Städte.
Dass der aus Amden stammende Emil Böhny 1870 in Zürich einen
Handschuhladen samt Fabrikation eröffnete, war wirklich eine
Neuheit.
Begonnen hatte er als Aufkäufer von Ziegenfellen, die er
an die Handschuhfabriken in Frankreich lieferte.
Von dort brachte er
technische Fabrikationsfortschritte – so die Fentierpresse, die
erstmals ein Ausstanzen gleich mehrerer Handschuhe erlaubte -
nach Wien, die immer noch Kaiserstadt war.
Dabei begann er auch
selber zu produzieren.
Diese Fabrikation begann er
1870 in Zürich
an der Peterhofstatt und einem kleinen Laden am Rennweg 58. Von
da an folgte sein Geschäft immer den tonangebenden, gut
frequentierten Ladenstrassen, 1878 – 85 Storchengasse,
1886 -1904
im weltberühmten Hotel Schwert am Weinplatz,
wo Casanova,
Goethe und Mozart,
aber auch der russische Zar einst abstiegen.
1905 – 25
folgte das als Bau sensationelle Mercatorium an der
Bahnhofstr. 51, später die Bahnhofstr. 36.
Der letzte Träger des
Namens Böhny, Emil Böhny, 86jährig, verkaufte die Firma 1955 mit
gekündetem Mietvertrag.
Die Poststrasse 5 am Paradeplatz wurde
für fast 45 Jahre die nächste Bleibe, bis im Jahr 2000 auch dieses
Lokal infolge Eigenbedarf gekündigt wurde.
Neue Heimat wurde uns die Augustinergasse 22, wo über unserem
liebevollen Altstadtladen, wiederum der schöne goldene
Handschuh an den Geschäftsgründer erinnert, der das
Firmenzeichen einst selbst aus Wien mitbrachte.
Wenn auch seit Generationen der Slogan
„Böhny-Händsche –schöni Händsche“
auf die Spezialität des Hauses hinweist, wurden
die hohen Qualitätsansprüche längst auf andere Artikel wie
Hemden, Blusen, Seidentücher, Pyjamas und Tag- und
Nachtwäsche übertragen und durch das eigene Atelier Wellis für
Feinmass-Hemden- und Blusen, aufs beste ergänzt.
B ö h n y
seit
1870